Einleitung
Der BYD Seal etabliert sich als ernsthafter Konkurrent im Segment der elektrischen Mittelklasse-Limousinen und fordert etablierte Modelle wie das Tesla Model 3, den BMW i4 und den Polestar 2 heraus. Als neuestes Elektromodell des chinesischen Automobilgiganten BYD auf dem europäischen Markt profitiert der Seal von BYDs umfangreicher Erfahrung als Batteriehersteller und seinem rasanten Wachstum im globalen Elektrofahrzeugsektor. Er überzeugt durch ein ansprechendes Design, leistungsstarke Antriebe und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis und markiert einen ambitionierten Vorstoß in ein hart umkämpftes Marktsegment. Verfügbar ist der Seal in einer heckgetriebenen Version mit 313 PS und einer allradgetriebenen "Excellence"-Variante mit 530 PS.
Design & Verarbeitung
Das Design des BYD Seal ist elegant und schnörkellos. Seine glatten, wohlgeformten Karosserielinien und ein bemerkenswert niedriger Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) von 0,22 verleihen ihm eine moderne und aerodynamische Ästhetik. Die stimmige Gestaltung mit kurzen Karosserieüberhängen und einem langen Radstand von 2,92 Metern trägt zu einem harmonischen Gesamtbild bei. Im Innenraum übertrifft die Verarbeitungsqualität die Erwartungen; Tester beschreiben sie als sehr hochwertig und auf dem Niveau von Premiumkonkurrenten. Feines Leder, Alcantara und angenehm haptische Kunststoffe schaffen eine luxuriöse Atmosphäre. Auch an weniger sichtbaren Stellen zeugt die Verarbeitung von Detailverliebtheit. Die innovative "Cell-to-Body"-Bauweise, bei der die Blade-Batterie als strukturelles Element in den Fahrzeugboden integriert ist, erhöht zudem die Karosseriesteifigkeit und sorgt für ein knarz- und knisterfreies Fahrerlebnis.
Innenraum & Komfort
Dank seines langen Radstands bietet der BYD Seal großzügige Platzverhältnisse in der Kabine, insbesondere eine überdurchschnittliche Beinfreiheit auf allen Sitzplätzen. Größere Personen müssen sich jedoch beim Einstieg in den Fond aufgrund des tiefer gezogenen Dachholms etwas bücken. Die elektrisch verstellbaren (8-fach für den Fahrer, 6-fach für den Beifahrer), beheiz- und kühlbaren Ledersitze bieten hohen Komfort, auch wenn die Sitzflächen für sehr große Fahrer als etwas kurz empfunden werden könnten. Der Schulterraum im Fond ist ausreichend für zwei Erwachsene oder drei Kinder. Ein serienmäßiges Panoramadach mit UV-Schutz trägt maßgeblich zu einem luftigen Raumgefühl bei und bietet eine helle und offene Atmosphäre.
Kindersitzhalterungen nach ISOFIX-Prinzip sind vorhanden, ergänzt durch ein praktisches "Kindererinnerungssystem". Die Variabilität des Innenraumkonzepts ist durchschnittlich: Die Rücksitzbank lässt sich im Verhältnis 40:60 umklappen, wobei eine Stufe zur Ladefläche verbleibt; eine Durchreiche für lange Gegenstände oder eine Längsverstellung der Rückbank fehlen. Das Kofferraumvolumen von 400 Litern (ADAC-Messung: 325 Liter) ist durchschnittlich. Ein zusätzlicher 53-Liter-Frunk unter der Fronthaube bietet praktischen Stauraum, ideal für Ladekabel. Die Sicht nach hinten ist aufgrund der breiten C-Säulen eingeschränkt, wird jedoch durch ein serienmäßiges 360-Grad-Rundumsichtsystem komfortabel ausgeglichen. Das Fahrwerk wird als straff, aber komfortabel beschrieben, wobei bei langsamer Fahrt kurze Stöße stärker spürbar sein können. Eine gute Dämmung sorgt für ein generell leises Fahrgefühl, obwohl einige Tester bei niedrigen Geschwindigkeiten bemerkbare Fahr- und Warngeräusche sowie ein leises Surren des Antriebs auf der Autobahn kritisierten.
Infotainmentsystem
Das Infotainmentsystem des BYD Seal ist um einen eindrucksvollen 15,6-Zoll-Touchscreen zentriert, der sich auf Knopfdruck elektrisch vom Quer- ins Hochformat drehen lässt – ein Alleinstellungsmerkmal in dieser Fahrzeugklasse, das besonders bei der Navigation Vorteile bieten kann. Die Spracherkennung wird als sehr verständig und schnell gelobt, und das Dynaudio Soundsystem mit 12 Lautsprechern sorgt für exzellenten Klang. Zwei induktive Ladeschalen für Smartphones sowie vier USB-Typ-C-Anschlüsse sind im Cockpit und Fond verfügbar. Das System reagiert zügig, und die Darstellung des Kartenmaterials ist klar und erinnert an Google Maps.
Trotz dieser Pluspunkte gibt es bemerkenswerte Kritikpunkte:
- Bedienungskomplexität: Viele Funktionen, wie die Klimaregelung, sind tief in Untermenüs des Touchscreens vergraben, was während der Fahrt ablenken kann.
- Übersetzungsfehler: Die Software leidet unter teils verwirrenden und unzureichenden deutschen Übersetzungen wie "Intensität der Bremsenergierückmeldung" oder "wirbelndes Einstellen".
- Navigationsdefizite: Die dynamische Navigationskarte wird nur auf dem Zentralbildschirm angezeigt, nicht im Cockpit oder Head-up-Display. Die Laderoutenplanung ist defizitär und nicht so hilfreich wie bei Konkurrenzmodellen, zudem neigt das Navi dazu, unnötig Autobahnen zu vermeiden.
- Spiegelungen: Alle Bildschirmoberflächen neigen zu starken Reflexionen.
- Radioempfang: Laut ADAC ist der Radioempfang lediglich rudimentär.
Antrieb & Fahrverhalten
Der BYD Seal ist mit zwei leistungsstarken Antriebsvarianten erhältlich:
- Seal Design: Ein Hecktriebler mit 230 kW (313 PS), der in 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt.
- Seal Excellence-AWD: Ein Allradmodell mit 390 kW (530 PS) und 670 Nm Drehmoment, das den Seal in beeindruckenden 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert.
Beide Modelle sind elektronisch auf 180 km/h abgeregelt. Die Motorkraft ist fein dosierbar, und das Fahrverhalten wird maßgeblich durch die Fahrmodi "Eco", "Normal" und "Sport" beeinflusst. Besonders das Allradmodell überzeugt mit einer monumentalen Leistungsentfaltung und dem sicheren Handling des Allradantriebs, selbst bei nasser Fahrbahn. Tester zeigten sich beeindruckt, wie spielerisch der Seal 2,2 Tonnen Masse beschleunigt.
Die von BYD selbst entwickelte "Blade-Batterie" verwendet Lithium-Eisen-Phosphat (LFP)-Chemie. Ihre "Cell-to-Body"-Konstruktion erhöht nicht nur die Karosseriesteifigkeit, sondern soll auch eine hohe Energiedichte und eine lange Lebensdauer (über 5000 Ladezyklen) ohne Kobalt oder Nickel gewährleisten. Die nutzbare Batteriekapazität beträgt 82,5 kWh.
Die WLTP-Reichweite wird mit bis zu 570 km (Design) und 520 km (Excellence-AWD) angegeben. Im ADAC Ecotest erreichte der Seal Design 405 km. Der Werksverbrauch liegt bei 15,4-18,2 kWh/100 km; der ADAC-Test ermittelte 21,2 kWh/100 km (inklusive Ladeverluste). Im Wintertest sank die Reichweite auf 294 km bei einem Verbrauch von 28,4 kWh/100 km, was als "ausreichend" bewertet wurde.
Kritikpunkte bei der Energierückgewinnung:
- Schwache Rekuperation: Sie ist lediglich in zwei Stufen einstellbar und in beiden als deutlich zu schwach (maximal 33 kW) empfunden.
- Kein One-Pedal-Drive: Ein Modus, der das Kriechen des Fahrzeugs unterbindet und intensivere Rekuperation ermöglicht, fehlt komplett.
Die Lenkung wird als leichtgängig, aber mit fehlender Direktheit und Rückmeldung beschrieben, besonders um die Mittellage. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel abgestimmt und bietet einen guten Kompromiss aus Sportlichkeit und Federungskomfort. Die Bremsen überzeugen mit guten Bremswerten.
Verbrauch & Unterhalt
Der BYD Seal positioniert sich preislich sehr attraktiv und bietet eine umfangreiche Ausstattung, wodurch er vergleichbare Konkurrenzmodelle deutlich unterbietet. Die Listenpreise beginnen bei 44.990 € für den Seal Design und 50.990 € für den Seal Excellence-AWD. Die laufenden Kosten gelten als moderat, was sich auch in den durchschnittlichen Typklassen für die Versicherung widerspiegelt (Haftpflicht 20, Teilkasko 22, Vollkasko 27).
Der Energieverbrauch liegt nach WLTP kombiniert bei 15,4 bis 18,2 kWh/100 km. Im ADAC Ecotest wurde ein Durchschnittsverbrauch von 21,2 kWh/100 km (inklusive Ladeverluste) ermittelt, was eine reale Reichweite von etwa 405 km ergibt. Im Wintertest stieg der Verbrauch auf 28,4 kWh/100 km, wodurch die Reichweite auf 294 km sank und als hoch bewertet wurde.
Die 82,5 kWh Blade-Batterie des Seal unterstützt Schnellladen mit maximal 150 kW. Im ADAC Test wurde eine durchschnittliche Ladeleistung von 103 kW (von 10 auf 80 %) in 37 Minuten erreicht. Diese Ladeperformance ist als guter Durchschnitt zu bewerten, liegt aber unter den Werten einiger Premium-Konkurrenten. Die "Vehicle-to-Load"-Funktion (V2L) zum Betreiben externer Elektrogeräte gehört zur Serienausstattung.
Die Garantiebedingungen sind großzügig:
- Fahrzeug: Sechs Jahre oder 150.000 km.
- Antriebseinheit: Acht Jahre.
- Blade-Batterie: Acht Jahre oder 200.000 km bis 70 % der Leistung.
- Karosserie: Zwölf Jahre.
Sicherheit & Assistenzsysteme
Im Bereich Sicherheit ist der BYD Seal hervorragend aufgestellt und erzielte im Euro NCAP Crashtest durchweg fünf Sterne. Die Testergebnisse umfassen 89 % für den Insassenschutz von Erwachsenen, 87 % für Kinderinsassen, 76 % für die Fahrassistenzunterstützung und 82 % für den Fußgängerschutz, was sein hohes Sicherheitsniveau bestätigt.
Eine umfassende Palette an Sicherheits- und Assistenzsystemen ist bereits im Einstiegsmodell Design serienmäßig enthalten, ausgenommen das Head-up-Display, welches dem Excellence-AWD vorbehalten ist:
- Adaptiver Geschwindigkeitsregelanlage (ACC)
- Spurhalteassistent
- Notbremsautomatik
- Verkehrszeichenerkennung
- Stauassistent
- Müdigkeitserkennung
- Heckkollisionswarner und Querverkehrswarner
- 360-Grad-Rundumsichtsystem
- Parkensoren vorne und hinten
- Alkoholdetektorsystem (ADS)
Trotz des breiten Funktionsumfangs gibt es Kritikpunkte bei der praktischen Umsetzung:
- Ruppige Eingriffe: Der Spurhalteassistent wurde als teils grobschlächtig und unkomfortabel eingreifend beschrieben.
- Unzuverlässige Verkehrszeichenerkennung: Die Erkennung liefert mitunter falsche oder inkonsistente Tempolimit-Informationen zwischen Head-up-Display und Zentralbildschirm.
- Nervige Warnungen: Ständige Piepgeräusche und verbale Ermahnungen bei geringfügiger Tempoüberschreitung, die nur mühsam über mehrere Menüschritte deaktiviert werden können, beeinträchtigen das Fahrerlebnis erheblich.
Fazit
Der BYD Seal ist ein äußerst vielversprechender Anwärter im Wettbewerb der elektrischen Mittelklasse-Limousinen. Er besticht durch sein ansprechendes Design, eine beeindruckende Verarbeitungsqualität im Interieur und ein großzügiges Raumangebot. Die Fahrleistungen, insbesondere des 530 PS starken Allradmodells, sind sportwagentauglich und bieten viel Fahrspaß bei gleichzeitig hohem Sicherheitsgefühl. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hervorragend, und die umfangreiche Serienausstattung sowie die lange Garantie sind klare Pluspunkte, die für den BYD Seal sprechen. Mit dem fünf-Sterne Euro NCAP Ergebnis unterstreicht der Seal auch seine hohen Sicherheitsstandards.
Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen BYD nachbessern muss. Die Software und die Assistenzsysteme zeigen noch Schwächen bei der Abstimmung, mit nervigen Warnungen und teils groben Eingriffen. Auch die Bedienung über den Touchscreen könnte intuitiver gestaltet und die deutschen Übersetzungen verbessert werden. Die schwache Rekuperation und das Fehlen eines One-Pedal-Drive-Modus sind weitere Kritikpunkte. Die Ladeleistung ist zwar im guten Durchschnitt, jedoch kann der Verbrauch unter anspruchsvollen Bedingungen höher ausfallen als bei einigen Konkurrenten.
Insgesamt ist der BYD Seal ein mutiger und überzeugender Schritt von BYD auf den europäischen Markt. Er bietet viel Substanz und Potenzial, benötigt aber noch Feinschliff bei der Software und der Benutzerfreundlichkeit, um die etablierten Wettbewerber in Gänze hinter sich zu lassen.