Die Bundesregierung will den Turbo zünden: Mit dem neuen „Infrastruktur-Zukunftsgesetz“ soll der Ausbau von Straßen und Schienen endlich Fahrt aufnehmen. Doch was für Autofahrer nach weniger Stau klingt, könnte sich als juristischer Boomerang erweisen. Die Deutsche Umwelthilfe warnt vor einem „Generalangriff auf den Naturschutz“ – und prophezeit eine Klagewelle, die Bauprojekte Jahre kosten könnte.

Es ist das ewige Dilemma deutscher Verkehrspolitik: Alle wollen eine moderne Infrastruktur, aber niemand will die jahrzehntelangen Planungsverfahren. Der Koalitionsausschuss hat nun einen scheinbar radikalen Befreiungsschlag gewagt. Das Ziel: Planungsbeschleunigung durch den Abbau von Umweltstandards. Doch Experten warnen, dass genau dieser Versuch, Abkürzungen durch das Dickicht der Bürokratie zu nehmen, in einer rechtlichen Sackgasse enden wird.

Natur gegen Geld: Der moderne Ablasshandel?

Der Kern des Streits liegt in einer technischen, aber folgenschweren Änderung: der sogenannten „Realkompensation“. Bisher galt das Prinzip: Wer Natur für eine Autobahn zerstört, muss in der Nähe neuen Lebensraum schaffen – etwa indem versiegelte Flächen renaturiert werden. Das ist aufwendig und kostet Zeit.

Der neue Plan aus Berlin sieht vor, diese Pflicht aufzuweichen. Bei Projekten von „überragendem öffentlichen Interesse“ – und dazu zählen viele Verkehrsprojekte – soll künftig eine Geldzahlung (Ersatzgeld) genügen, statt mühsam neue Biotope anzulegen. Für die Bauherren ist das komfortabel: Scheck ausstellen, Bagger starten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht darin jedoch einen Dammbruch. Ihr Argument: Eine finanzielle Entschädigung bringt die zerstörte Natur nicht zurück. Einmal asphaltierte Ökosysteme sind verloren, und kein Geldbetrag der Welt lässt an anderer Stelle sofort einen alten Baumbestand nachwachsen. Die Befürchtung ist, dass der Naturschutz zur reinen Kostenstelle in der Budgetplanung verkommt, während die Biodiversität auf der Strecke bleibt.

Die juristische Zeitbombe: Warum Brüssel wohl „Nein“ sagt

Noch brisanter als die Naturschutzfrage ist der Versuch der Koalition, den Klageweg für Umweltverbände zu beschneiden. Um Projekte zu beschleunigen, sollen Einwände von Verbänden künftig ignoriert werden können, wenn diese nicht schon frühzeitig im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden. Das klingt nach pragmatischer Straffung, ist aber laut DUH ein offener Bruch mit europäischem Recht.

Der Blick in die Geschichtsbücher gibt den Kritikern recht: Bereits 2015 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine ähnliche Regelung im deutschen Recht für unzulässig erklärt. Die Richter in Luxemburg urteilten damals, dass der Zugang zu Gerichten nicht künstlich eingeschränkt werden darf. Wenn die Bundesregierung nun versucht, genau diese vom EuGH einkassierten Hürden durch die Hintertür wieder einzuführen, provoziert sie sehenden Auges neue Vertragsverletzungsverfahren.

Fazit: Beschleunigung oder Vollbremsung?

Für Autofahrer und die Logistikbranche ist die Lage paradox. Das Gesetz, das eigentlich für schnellere Baumaßnahmen sorgen soll, trägt das Risiko des Scheiterns bereits in sich. Sollten Umweltverbände gegen die neuen Regelungen klagen – und die Chancen stehen angesichts der EuGH-Rechtsprechung gut –, drohen Baustopps und jahrelange Rechtsunsicherheit.

Statt der erhofften „Deutschland-Geschwindigkeit“ könnte das Infrastruktur-Zukunftsgesetz also genau das Gegenteil bewirken: eine jahrelange Hängepartie vor den Verwaltungsgerichten. Die Warnung der Umweltschützer ist deutlich: Wer versucht, Umweltrecht mit der Brechstange zu umgehen, landet am Ende oft im Graben.