Die ganze Welt fährt zunehmend chinesische Elektroautos – die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Autofahrern bevölkertes Land hört nicht auf, dem globalen Trend Widerstand zu leisten. Deutschland bleibt eine Festung für heimische Marken, und das ausgerechnet in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Doch wie lange hält dieser Patriotismus noch?
Es klingt fast paradox: Während in Deutschland über hohe Lebenshaltungskosten geklagt wird, ist mehr als ein Drittel der Autokäufer (36 Prozent) bereit, freiwillig mehr Geld auf den Tisch zu legen – solange das Auto von einem deutschen Hersteller stammt. Das ist eines der überraschenden Ergebnisse des aktuellen Automotive Industry Briefing. In einer Zeit, in der chinesische Hersteller mit aggressiven Preisen auf den Markt drängen, scheint der deutsche Autofahrer zum Überzeugungstäter zu werden.
Das letzte „Gallische Dorf“ der Autoindustrie?
Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt, wie sehr sich der deutsche Markt vom Rest der Welt abkoppelt. Global betrachtet haben chinesische Hersteller den Markt für Elektrofahrzeuge längst überrollt: 59 Prozent aller weltweit verkauften E-Autos stammten in den ersten drei Quartalen 2025 von chinesischen Marken. In Ländern wie Brasilien oder Thailand liegt ihr Marktanteil sogar bei über 80 Prozent.
Und in Deutschland? Hier kommen chinesische Marken bei E-Autos gerade einmal auf 6 Prozent Marktanteil. Im November 2025 entschieden sich sogar 61 Prozent aller Neuwagenkäufer ganz bewusst für ein deutsches Fabrikat. Die deutschen Hersteller profitieren von einem massiven Vertrauensvorschuss, den sie sich über Jahrzehnte aufgebaut haben – und von der Angst der Käufer vor der Zukunft.
German Angst als Verkaufsargument: Der Daten-Tresor
Warum entscheiden sich Kunden gegen günstige Hightech-Autos aus Fernost? Neben der Sorge um heimische Arbeitsplätze (52 Prozent) rückt ein Thema in den Fokus, das typisch deutsch ist: Datenschutz. Jedes zweite Auto wird hierzulande gekauft, weil der Kunde glaubt, seine Daten seien bei BMW, Mercedes oder VW sicherer als bei einem chinesischen Anbieter.
Das moderne Auto ist längst ein rollendes Smartphone, das Bewegungsprofile, Sprachbefehle und Kamerabilder verarbeitet. Die Furcht, dass diese sensiblen Informationen auf Servern in China landen könnten, ist für die deutschen Hersteller aktuell die vielleicht wichtigste Lebensversicherung. „Datenschutz Made in Germany“ wird damit vom bürokratischen Hemmschuh zum echten „Unique Selling Point“.
Die bröckelnde Mauer: Wenn der Preis die Moral schlägt
Doch die deutschen Autobosse sollten sich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Die Loyalität der Kunden ist erkauft – und zwar teuer. Zwar sind 36 Prozent bereit, einen Aufpreis zu zahlen, aber für die große Mehrheit von 70 Prozent zählt am Ende doch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Und genau hier wird die Luft dünn.
„Aktuell halten die Verbraucher hierzulande den deutschen OEMs noch die Treue, bedingt durch ihr sehr gutes Image und ihre Markenpräsenz. Es besteht jedoch Grund zur Sorge, dass sich die Stimmung auch im Heimatmarkt dreht.“
Die chinesischen Hersteller lernen schnell. Sie haben zwar noch nicht die perfekten Vertriebsnetze in Deutschland, aber sie sitzen auf einem riesigen technologischen Vorsprung bei Batterien und Software. Wenn der Preisabstand zwischen einem VW ID.Modell und einem vergleichbaren BYD oder NIO zu groß wird, könnte der Patriotismus an der Ladenkasse schnell enden.
Software entscheidet über die Zukunft
Die Botschaft für die deutsche Autoindustrie ist klar: Der aktuelle Heimvorteil ist nur eine Galgenfrist. Der „Daten-Patriotismus“ der Kunden erkauft den Herstellern Zeit, ihre Defizite bei der Software und der Batterietechnik aufzuholen. Sollten sie diese Chance nicht nutzen, wird auch das Argument der Arbeitsplatzsicherung nicht mehr ziehen – denn Kunden kaufen am Ende das bessere Produkt, nicht das moralischere.