Einleitung
Der GWM Ora 07, eine vollelektrische Fließhecklimousine des chinesischen Herstellers Great Wall Motor (GWM), bringt frischen Wind in die Elektro-Mittelklasse. Sein Design erinnert laut Kritikern an Modelle wie den Porsche Panamera oder den VW Beetle, was ihm einen provokanten, retro-futuristischen Stil verleiht, der polarisiert. Als zweite Elektro-Limousine der Marke Ora in Deutschland positioniert sich der 4,87 Meter lange 07 als interessante Alternative zu etablierten Marken, insbesondere durch sein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Er ist bestellbar seit Juni 2024.
Design & Verarbeitung
Der Ora 07 sticht mit seinem coupéartigen Design und der abfallenden Dachlinie sofort ins Auge. Die Front mit den ovalen Scheinwerfern und das Heck, das an den Panamera erinnert, verleihen ihm ein unverwechselbares Äußeres. Im Innenraum setzt der Ora 07 mit einer schwebenden Mittelkonsole und einem in drei Rundinstrumente eingelassenen Fahrerdisplay Akzente. Die Materialqualität und Verarbeitung werden durchweg gelobt: Der Mix aus Kunstleder und aufgeschäumtem, weichem Kunststoff wirkt hochwertig, Hartplastik ist kaum sichtbar. Nichts klappert, die rahmenlosen Türen fallen satt ins Schloss, und Windgeräusche sind selbst bei höherem Tempo gering. Selbst veganer Kunststoff im Innenraum wird als hochwertig empfunden.
Innenraum & Komfort
Design stand beim Ora 07 offenbar vor Alltagstauglichkeit. Das Kofferraumvolumen ist mit 333 Litern (1.045 Litern bei umgeklappten Sitzen) gering für ein Fahrzeug dieser Größe und als “zerklüftet” beschrieben, was eher für Wochenendtrips als für Familienurlaube reicht. Die Kopffreiheit im Fond ist aufgrund der stark abfallenden Dachlinie und des Panoramaglasdachs stark eingeschränkt, insbesondere für Personen ab 1,70 Meter Körpergröße. Die Beinfreiheit im Fond ist dank des Radstandes von 2,87 Metern jedoch ordentlich. Vorne schränkt die wuchtige Türarmlehne und die massive, schwebende Mittelkonsole den Platz für den Fahrer ein. Ablagemöglichkeiten sind begrenzt. Die bequemen Seriensitze bieten eine kurze Beinauflage und sind für große Personen nur bedingt geeignet, da die Laufschiene nicht weit genug zurückreicht. Die Rückbank ist zudem niedrig montiert.
Infotainmentsystem
Das digitale „Fahrer:innendisplay“ (10,25 Zoll) ist ansprechend in drei formschöne Rundinstrumente eingebettet und gut ablesbar. Das zentrale Infotainment-Display (12,3 Zoll) ist klassisch in der Mitte platziert, mit einem verständlich aufgebauten Menü und typischen Kacheln. GWM setzt auf eine gelungene Mischung aus haptischen Tasten und Drehreglern auf der Mittelkonsole für wichtige Funktionen wie die Klimaanlage, ergänzt durch Touch-Bedienung. Die Sprachsteuerung funktioniert auf der Testfahrt einwandfrei, versteht Navigationsziele und Befehle zur Aktivierung von Funktionen sehr gut. Apple CarPlay und Android Auto sind serienmäßig integriert. Das Fahrzeug verfügt über ein hochwertiges Infinity-Soundsystem mit elf Lautsprechern und ein Head-up-Display in den höheren Ausstattungslinien.
Antrieb & Fahrverhalten
Der Ora 07 ist in zwei Leistungsstufen verfügbar: die Basisversion (Pure, Pro) mit 204 PS Frontantrieb oder als GT mit 408 PS Allradantrieb. Die Basisversion erreicht Tempo 100 in 8,2 Sekunden, der GT in 4,5 Sekunden. Letzterer hat jedoch teils Traktionsprobleme bei voller Beschleunigung, die Software müsste die Regelsysteme präziser abstimmen. Der „Punch“ lässt bei höheren Geschwindigkeiten nach. Während der GT auf 180 km/h begrenzt ist, schaffen Pure/Pro 170 km/h. Das Fahrwerk ist komfortabel und bietet dennoch ausreichend Stabilität für dynamische Fahrten. Die Lenkung ist direkt, kann aber in den Modi „Leicht“ und „Komfort“ gefühlslos wirken, lediglich im Sportmodus wird sie stimmiger. Ein One-Pedal-Driving ist nur in den Pure- und Pro-Varianten möglich, die Rekuperation ist in drei Stufen einstellbar. Der simulierte Motorsound in den höheren Ausstattungslinien wird als synthetisch und unecht empfunden.
Verbrauch & Unterhalt
Preislich startet der Ora 07 bei rund 42.000 Euro für die Pure-Variante und 53.490 Euro für die GT-Version, was ihn zu einer attraktiven Alternative im Segment macht, wie der Vergleich mit dem teureren Hyundai Ioniq 6 zeigt. Die WLTP-Reichweite liegt je nach Batteriegröße zwischen 440 km (67 kWh netto) und 520 km (86 kWh netto). Im ADAC-Wintertest des GT-Modells wurden 304 km Reichweite und ein Testverbrauch von 26,8 kWh/100km ermittelt. Die Ladeleistung ist ein deutlicher Schwachpunkt: Mit maximal 88 kW DC-Ladeleistung liegt der Ora 07 weit unter dem Klassendurchschnitt. Ein Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent dauert 36 Minuten (kleiner Akku) bzw. 43 Minuten (großer Akku), was Ladestopps zu längeren Wartezeiten macht. AC-Laden erfolgt mit üblichen 11 kW. Eine Wärmepumpe ist nur in den Pro- und GT-Modellen enthalten. GWM bietet eine umfassende Garantie von 5 Jahren ohne Kilometerbegrenzung auf das Fahrzeug und 8 Jahre/160.000 km auf die Hochvoltbatterie.
Sicherheit & Assistenzsysteme
Eine Euro NCAP-Bewertung für den Ora 07 liegt noch nicht vor, aber der kleinere Ora 03 erhielt 2022 fünf Sterne. Der Ora 07 verfügt über eine umfangreiche Serienausstattung an Sicherheitsfeatures und Assistenzsystemen, darunter Adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung, Autobahnassistent, Totwinkelwarner, Verkehrszeichenerkennung, 360-Grad-Kamera und Einparkhilfen. Allerdings sind viele dieser Systeme überaus sensibel und teils störend abgestimmt: Der Spurhalteassistent greift oft willkürlich und mit Wucht ins Lenkgeschehen ein, während die Fahrerüberwachung penetrant akustisch und visuell zur Aufmerksamkeit mahnt, schon bei kurzen Blicken abseits der Straße. Dies kann die Fahrt unnötig beeinträchtigen und führt oft dazu, dass Nutzer die Systeme deaktivieren. Das Navigationssystem integriert zudem keine Ladepunkte in die Routenplanung.
Fazit
Der GWM Ora 07 ist ein Elektroauto, das stark polarisiert: Während einige sein mutiges Design feiern, sehen andere darin ein „freches Plagiat“. Abseits dieser Bewertung bietet er für seinen attraktiven Preis eine ausgezeichnete Verarbeitungsqualität, hochwertige Materialien und eine sehr umfangreiche Serienausstattung. Seine Hauptschwächen liegen in der unterdurchschnittlichen Ladeleistung und dem begrenzten Raumangebot im Fond sowie im Kofferraum. Besonders die Abstimmung der Assistenzsysteme ist überambitioniert und kann den Fahrkomfort erheblich trüben. Für Individualisten, die diese Kompromisse in Kauf nehmen und ein auffälliges, gut ausgestattetes Elektrofahrzeug abseits des Mainstreams suchen, kann der Ora 07 jedoch ein interessantes Schnäppchen sein.