Einleitung
Der Fisker Ocean, ein Elektro-SUV des dänischen Designers Henrik Fisker, wird in Zusammenarbeit mit Magna in Österreich gebaut. Das Modell positioniert sich als frische Alternative im hart umkämpften E-SUV-Segment. Besonders die Top-Version mit 113 kWh Akku und bis zu 564 PS Systemleistung verspricht beeindruckende Reichweiten. Obwohl der Ocean in vielerlei Hinsicht überzeugt, insbesondere mit seinem eigenständigen Design und innovativen Features, offenbart er zum Marktstart deutliche Schwächen in der Software und bei der Verfügbarkeit grundlegender Assistenzsysteme. Viele dieser Mankos sollen jedoch durch Over-the-Air (OTA)-Updates behoben werden, was das große Potenzial des Fahrzeugs unterstreicht.
Design & Verarbeitung
Der Fisker Ocean besticht durch sein eigenständiges, kantig-cooles und etwas bulliges Design, das sich von der Masse abhebt. Henrik Fisker, bekannt für seine frühere Arbeit bei BMW (Z8) und Aston Martin, hat auch hier seine Handschrift hinterlassen. Die Verarbeitungsqualität der Karosserie wird als sauber und hochwertig beschrieben, was der Fertigung bei Magna in Graz zugeschrieben wird. Der Innenraum präsentiert sich schlank und schön, mit einem hohen Anteil an veganen und recycelten Materialien, was den Nachhaltigkeitsansatz von Fisker unterstreicht. Optisch überzeugt der Ocean damit auf ganzer Linie und wirkt trotz seiner stattlichen Abmessungen (4,78 Meter Länge) vergleichsweise leicht und elegant.
Innenraum & Komfort
Das Platzangebot im Fisker Ocean ist großzügig, sowohl auf den vorderen als auch auf den hinteren Plätzen. Insbesondere im Fond wird die elektrische Verstellbarkeit der Rückenlehnen positiv hervorgehoben. Eine kluge Aussparung unter der Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen schafft zudem menschenwürdigen Fußraum für den mittleren Sitzplatz hinten.
Komfortmerkmale wie vier Sitzheizungen, eine Dreizonen-Klimaautomatik und zwei gut erreichbare Smartphone-Induktivlader sind an Bord. Allerdings gibt es auch Kritikpunkte: Die vorderen Sitze bieten zu wenig Seitenhalt und eine zu kurze Auflage. Die Lordosenstützen sind leider nicht verstellbar. Die Rundumsicht ist eingeschränkt, da die Heckscheibe klein ist und von den nicht versenkbaren Kopfstützen der Rückbank verdeckt wird. Auch die dicken A-Säulen und die großen Außenspiegelgehäuse behindern die Sicht nach vorn. Einzig die asphärischen Bereiche der Außenspiegel verbessern dies.
Ein einzigartiges Feature ist der "California Mode", bei dem auf Knopfdruck alle Türfenster, die Heckscheibe, das Solarglasdach und die C-Säulen-Fenster geöffnet werden können, was bis Tempo 100 angenehm zugfrei bleibt. Praktisch sind auch die ausfahrbaren "Taco Trays" (kleine Tische) für die vorderen Plätze und eine 230-Volt-Steckdose im Kofferraum sowie ein Adapter am Ladeanschluss.
Infotainmentsystem
Das zentrale Bedienelement ist ein riesiger, 17,1 Zoll großer Touchscreen. Dieser lässt sich im Stand in den "Hollywood-Modus" drehen und präsentiert Videos im Breitbildformat, was beim Laden nützlich ist. Während der Fahrt ist er hochkant ausgerichtet, wobei die Navikarte tief sitzt und den Blick von der Straße ablenkt. Die Software des Infotainmentsystems ist jedoch ein großer Schwachpunkt:
- Häufig langsame Reaktion und Verzögerungen.
- Die Suchfunktion der Betriebsanleitung ist unerträglich langsam.
- Die Rückfahrkamera wird oft erst nach Sekunden eingeblendet, ruckelt oder friert ein, was die Nutzung unsicher macht.
- Bluetooth-Verbindungen bauen oft nicht auf (Neustart des Systems notwendig).
- Apple CarPlay und Android Auto fehlen zum Start (sollen nachgeliefert werden).
- Der DAB-Radioempfang setzt teilweise im Sekundentakt aus.
- Wichtige Einstellungen wie die Ausrichtung der Luftausströmer, Rekuperationsmodi oder die Lenksäulenverstellung müssen umständlich über den Touchscreen vorgenommen werden. Das Abschalten des Tempoüberschreitungsgebimmels vor jeder Fahrt erfordert zudem vier Schritte.
Antrieb & Fahrverhalten
Der Fisker Ocean One und Extreme werden von zwei Elektromotoren angetrieben, die zusammen bis zu 564 PS (415 kW) Systemleistung und 737 Nm Drehmoment leisten. Die Beschleunigung ist nachdrücklich, erreicht aber in Tests nicht immer die versprochenen Werte und fühlt sich eher nach ca. 400 PS an. Bei wiederholten Sprints sind Leistungsverluste durch mangelnde Antriebskühlung feststellbar.
Die offizielle WLTP-Reichweite von bis zu 707 Kilometern (Fisker Ocean Extreme/One) ist ein absoluter Spitzenwert und wurde im AMS-Test mit einem realen Testverbrauch von 28,0 kWh/100 km (AMS-Rekord von 428 km) bestätigt. Das Laden an Gleichstromsäulen erfolgt mit maximal 175-180 kW, was für die Akkugröße (106,5 kWh netto) ordentlich ist (10-80% in ca. 36 Minuten). Die AC-Ladeleistung von 11 kW ist jedoch ausbaufähig.
Das Fahrwerk mit MacPherson-Multilink-Anordnung ist ausgewogen abgestimmt und bietet einen anständigen Grundkomfort bei überschaubaren Wankbewegungen. Die Lenkung hingegen ist ein Schwachpunkt: sie ist leichtgängig, aber gefühlsarm und reagiert beim Anlenken zu spitz, was auf Landstraßen und bei hohen Autobahngeschwindigkeiten Konzentration erfordert. Ein Kriechgang fehlt, und die Berganfahrhilfe greift nur kurz, was zu ungewolltem Zurückrollen führen kann, da "Auto-Hold" fehlt. Torque Vectoring war zum Testzeitpunkt ebenfalls noch nicht verfügbar. Die Rekuperation ist in drei Stufen einstellbar, einen echten One-Pedal-Modus bis zum Stillstand gibt es jedoch nicht.
Verbrauch & Unterhalt
Der Fisker Ocean beeindruckt mit seinem geringen Stromverbrauch und der daraus resultierenden hohen Reichweite. Die im AMS-Test ermittelten 28,0 kWh/100 km sind für ein SUV dieser Größe und Leistung ein sehr guter Wert, der den Ocean zum Reichweitenkönig in seinen Tests macht. Das Solardach trägt unter Idealbedingungen zusätzlich zur Reichweite bei (bis zu 3200 km pro Jahr laut Hersteller), obwohl dies unter realen Bedingungen schwer zu erreichen sein dürfte. Offizielle Angaben zum Verbrauch nach WLTP liegen bei 18,1 kWh/100 km, was auf eine hohe Effizienz hindeutet. Für den Unterhalt sind die 6 Jahre Garantie positiv zu vermerken. Die fehlenden Features wie eine Verbrauchsanzeige oder die umständliche Aktivierung mancher Funktionen können im Alltag jedoch frustrate.
Sicherheit & Assistenzsysteme
Zum Zeitpunkt der ersten Tests wurden die Fisker Ocean Modelle ohne wichtige Assistenzsysteme wie Abstandstempomat (ACC), Sprachsteuerung und Fernlichtassistent ausgeliefert, auch wenn sie hardwareseitig vorhanden sind und per OTA-Update nachgeliefert werden sollen. Dies ist ein erheblicher Mangel für ein Fahrzeug in dieser Preisklasse. Die Verkehrsschilderkennung funktioniert nur mäßig, was in Kombination mit dem obligatorischen Tempoüberschreitungsgebimmel störend wirkt. Die Bremsanlage arbeitet grundsätzlich fehlerfrei, liefert aber mit einem Bremsweg von 37,0 Metern aus 100 km/h nur mittelmäßige Werte. Es kam im Test zu sporadischen Warnsymbolen für die Bremsanlage, die dann auch zum Ausfall der Rekuperation führte. Insgesamt ist der Zustand der Software für die Assistenzsysteme zum Marktstart als sehr unfertig zu bezeichnen, obwohl die Hardware viel Potenzial bietet.
Fazit
Der Fisker Ocean ist ein Elektro-SUV mit viel Charakter und spannenden Alleinstellungsmerkmalen. Sein markantes Design und die hervorragende Reichweite dank des großen Akkus und der guten Effizienz sind absolute Pluspunkte. Auch das großzügige Raumangebot und die Verwendung nachhaltiger Materialien überzeugen. Die Fertigung bei Magna verspricht eine solide Basis.
Allerdings trüben gravierende Softwaremängel das Bild erheblich. Langsame Reaktionen des Infotainments, fehlende Assistenzsysteme und Konnektivitätsoptionen sowie diverse Bugs sind zum Marktstart inakzeptabel. Auch die gefühllose Lenkung und die eingeschränkte Rundumsicht sind Nachteile, die nicht per Update behoben werden können.
Trotz dieser Kinderkrankheiten besitzt der Fisker Ocean ein enormes Potenzial, sich als ernstzunehmende, nicht-chinesische Alternative zu etablierten E-SUVs zu etablieren, insbesondere wenn die versprochenen OTA-Updates die Software-Probleme zeitnah beheben. Kunden sollten jedoch bereit sein, die "frühzeitige" Phase des Produkts mitzuerleben und auf die Nachbesserungen zu warten.