Einleitung
Der BYD Atto 3, ein kompaktes Elektro-SUV aus China, tritt auf dem europäischen Markt gegen etablierte Konkurrenten wie den Peugeot e-2008, MG ZS EV, KIA Niro EV, VW ID.3 oder Hyundai Kona Elektro an. BYD, ursprünglich im Batteriegeschäft gestartet, ist bekannt für seine fortschrittliche Blade-Batterie-Technologie, die eine hohe Effizienz und Sicherheit verspricht. Das Fahrzeug zielt darauf ab, einen Platz auf den Favoritenlisten der Kaufinteressenten zu erober.
Design & Verarbeitung
Äußerlich präsentiert sich der Atto 3 modern und zeitgemäß, wenngleich unauffällig. Er verfügt über flache LED-Scheinwerfer und eine durchgehende Lichtleiste am Heck. Die Dachspoiler und Chromapplikationen am Heck sollen an Drachenschuppen erinnern. Im Gegensatz dazu ist das Interieur bewusst exzentrisch und verspielt gestaltet, mit interessanten Formgebungen und einer auffälligen veganen Lederauswahl. Die Verarbeitung ist überraschend gut, ohne billig wirkende Materialien im oberen Bereich. Lediglich unterhalb des Armaturenbretts sind härtere Kunststoffe verbaut. Insgesamt wirkt der Innenraum aufgeräumt und hochwertig.
Innenraum & Komfort
Die Platzverhältnisse vorn sind großzügig und sehr praktisch gestaltet. Es gibt eine große Ablagebox unter der Armlehne, variable Becherhalter, ein induktives Ladefach und eine offene Ablage unter der Mittelkonsole mit USB-Anschlüssen. Die großen Türfächer sind mit elastischen Bändern im Gitarren-Design versehen, was dem Innenraum Charakter verleiht. Die Vordersitze sind bequem und elektrisch einstellbar, eine Lordosenstütze fehlt jedoch.
Im Fond bietet der Atto 3 eine ordentliche Bein- und Kniefreiheit sowie einen flachen Boden, was das Sitzen zu dritt erleichtert. Allerdings ist die Kopffreiheit, besonders mit dem serienmäßigen Panorama-Glasdach, begrenzt und für größere Erwachsene eher eng. Die Rücksitze verfügen über praktische unterteilte Taschen und leicht zugängliche ISOFIX-Verankerungspunkte, auch auf dem Beifahrersitz. Hinten sind ebenfalls USB-Anschlüsse vorhanden.
Das Kofferraumvolumen ist mit 440 Litern (Carwow) bzw. 355 Litern (ADAC) nicht überragend im Vergleich zur Konkurrenz wie dem Kia Niro EV oder MG ZS. Dennoch ist der Stauraum durch die quadratische und flache Ladefläche ohne störende Ladekante gut nutzbar. Die Rücksitze lassen sich fast vollständig flach umklappen, und die Hutablage findet unter dem Ladeboden Platz. Ein Frunk (Stauraum unter der Motorhaube) fehlt allerdings.
Das Fahrwerk des Atto 3 ist weich abgestimmt und sorgt für hohen Fahrkomfort, insbesondere in der Stadt über Unebenheiten. Auch auf der Autobahn ist der Komfort gut, wobei hier Windgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten auftreten können.
Infotainmentsystem
Das Infotainmentsystem ist je nach Ausstattung zwischen 12,8 und 15,6 Zoll groß. Ein besonderes Merkmal ist die Möglichkeit, das Display per Knopfdruck von Quer- auf Hochformat zu drehen. Die Android-basierte Software ist intuitiv, und Apple CarPlay sowie Android Auto werden unterstützt. Trotzdem gibt es Bedienschwächen; wichtige Grundfunktionen wie die Sitzheizung sind in Untermenüs versteckt. Die Sprachassistenz zeigt noch Übersetzungsdefizite. Das digitale Kombiinstrument hinter dem Lenkrad ist im Vergleich zum Hauptdisplay klein, liefert aber alle nötigen Informationen gut ablesbar.
Antrieb & Fahrverhalten
Der BYD Atto 3 wird von einem einzelnen Elektromotor mit 150 kW (204 PS) und 310 Nm Drehmoment angetrieben, der die Vorderräder antreibt. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h gelingt in 7,3 Sekunden, und Zwischenspurts sind spritzig. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 160 km/h abgeregelt. Die weiche Federung, die in der Stadt komfortabel ist, führt in schnellen Kurven zu ausgeprägten Wankbewegungen und vermittelt wenig Stabilität. Die Lenkung ist leichtgängig, was in der Stadt und beim Rangieren (Wendekreis 10,7 m) von Vorteil ist, bietet aber bei sportlicher Fahrweise wenig Rückmeldung. Bei starker Beschleunigung können die Räder des Fronttrieblers zum Durchdrehen neigen, und die Antriebsschlupfregelung greift hier mühsam ein. Die Bremsleistung ist mit einem Bremsweg von 35,1 Metern aus 100 km/h ordentlich, jedoch ist das Pedalgefühl teigig und der Pedalweg lang. Die Rekuperation ist nicht immer intuitiv.
Die Sicht nach vorne ist dank des niedrig angesetzten Armaturenbretts gut, die Sicht nach hinten durch das schmale Heckfenster hingegen eingeschränkt. Eine serienmäßige 360-Grad-Kamera ist hilfreich, neigt aber dazu, bei Schmutzbildung beeinträchtigt zu sein, da eine Reinigungsfunktion fehlt. Bei höheren Geschwindigkeiten sind Windgeräusche, insbesondere um die Außenspiegel, hörbar. Der Sportmodus zeigt kaum einen spürbaren Unterschied in Fahrleistung oder Lenkung.
Verbrauch & Unterhalt
Alle Versionen des BYD Atto 3 nutzen eine 60,5 kWh große Batterie. Die WLTP-Reichweite beträgt 420 km, die reale Reichweite liegt im Test bei etwa 320 bis 350 km (Carwow: 18,8 kWh/100km, ADAC: 19,7 kWh/100km inkl. Ladeverluste). Bei viel Autobahnfahrt kann die Reichweite unter 300 km sinken. Die Ladegeschwindigkeit ist ausbaufähig: Am Gleichstrom-Schnelllader erreicht der Atto 3 maximal 88 kW (durchschnittlich im Test 65,2 kW), wodurch das Laden von 10 auf 80 Prozent etwa 46 Minuten dauert. Dies ist langsamer als bei vielen Konkurrenten. Das AC-Laden an der heimischen Wallbox erfolgt mit 7,4 kW (optional 11 kW dreiphasig), eine 22-kW-Option fehlt. Positiv ist die serienmäßige Vehicle-to-Load (V2L)-Funktion zum Betreiben externer Geräte. Der BYD Atto 3 ist in Deutschland ab rund 33.741 € (Carwow) oder 37.990 € (ADAC) erhältlich, was im Vergleich zu anderen Märkten (z.B. China ca. 25.000 €) deutlich höher ist. Die Versicherungskosten sind in Haftpflicht und Teilkasko im Mittelfeld, in der Vollkasko tendieren sie eher ins Teure.
Sicherheit & Assistenzsysteme
Der BYD Atto 3 ist umfangreich mit Sicherheits- und Assistenzsystemen ausgestattet, darunter Toter-Winkel-Warner, adaptive Geschwindigkeitsregelung, Verkehrszeichenerkennung, automatische Notbremsassistenz und Spurhalteassistenz. Im Euro NCAP Crashtest erzielte der Atto 3 mit fünf von fünf Sternen ein hervorragendes Ergebnis, auch in den Einzelkategorien wie Insassenschutz und Sicherheitssysteme (ADAC Note 1,1).
Fazit
Der BYD Atto 3 stellt einen respektablen ersten Schritt von BYD auf den deutschen Elektroautomarkt dar. Er überzeugt mit einem ansprechenden und gut verarbeiteten Innenraum, komfortablen Fahreigenschaften und einem sehr hohen Sicherheitsniveau. Potenzielle Nachteile sind die teils umständliche Bedienung des Infotainmentsystems, der begrenzte Kopfraum im Fond und der vergleichsweise kleine Kofferraum. Auch die DC-Ladeleistung ist verbesserungswürdig, und bei höheren Geschwindigkeiten treten Windgeräusche auf. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird als entscheidend betrachtet, da der Atto 3 in Europa deutlich teurer ist als im chinesischen Heimatmarkt. Die langfristige Verfügbarkeit von Servicepartnern in Deutschland stellt derzeit ein Restrisiko dar, die Garantie ist mit vier Jahren auf das Fahrzeug und acht Jahren auf die Batterie jedoch fair bemessen.